Fahrt zum Historikertag, Münster

Der Besuch der Villa ten Hompel fiel wegen einer Preisverleihung an das Team vom Gedenkhaus aus. In einer Dauerausstellung „Geschichte - Gewalt – Gewissen“ werden die enorme Beteiligung der uniformierten Polizei am Zweiten Weltkrieg und an den Genoziden gegenüber Juden sowie Sinti und Roma gezeigt. Zudem geht es über Entnazifizierung und Kontinuitäten nach 1945, juristische Aufarbeitung des NS-Unrechts sowie der bürokratische Versuch einer "Wiedergutmachung" der Bundesrepublik gegenüber ehemals Verfolgten. Leider ohne es gesehen zu haben könnte es ein Vorbild für ein Gedenkhaus der Stadt Oldenburg sein, die eine Hochburg der NSDAP war und in Bezug auf Ihre Geschichte "zu wenig Platz hat" (was mit dem Bau des neuen Stadtmuseums keine Erklärung mehr sein kann).


Die Veranstaltung im gerade erst eröffneten "Philosophikum" fand statt. Ein mit drei Frauen und drei Männern gerecht besetztes Forum, das zwei Stunden vortrug.

Der Vortrag von Frau Daniela Gress, die die Ausstellung „45 Jahre Bürgerrechtsarbeit deutscher Sinti und Roma“ mit erarbeitete, verstärkte die Idee, diese Ausstellung zu uns ins Anna-Schwarz Romnokher zu holen. Gerade auch, da in Oldenburg im Stadtmuseum demnächst über "Anerkennung! Von gesellschaftlichen Kämpfen um Teilhabe" geredet wird, aber ohne uns.

Herr Sebastian Lotto-Kusche sprach u.a. über die sogenannten "Zigeunerexperten", z.B. Medizinalrat Hermann Arnold, der von staatlichen Institutionen lange als wichtigster „Experte“ angesehen wurde. Er versuchte wiederholt, die sich herausbildenden Verbände der Sinti und Roma und deren wichtigste Unterstützer zu delegitimieren. Jene wären kommunistisch unterwandert und betrieben Geschichtsklitterung, so Arnolds Vorwurf. Die Verbände sahen Arnold dagegen in der Tradition der „Rassenhygiene“, wenn er in Veröffentlichungen etwa die Sterilisation von „Zigeunern“ propagierte. Artikel im Internet

Herr Dr. Frank Reuter, Wissenschaftlicher Geschäftsführer der "Forschungsstelle Antiziganismus" sprach über die typischen "Bilder" von Sinti und Roma. In Fotobänden war "Maria mit Kind" und bunte Kleidung ein vorherrschendes Thema. Erst Fotograf*innen der dritten Generation nach 1945 machten es z.B. im "Buch der Sinti" anders. So dokumentierten sie am Ende des Buches die Anfänge der Bürgerrechtsarbeit. (im Anna-Schwarz-RomnoKher zu sehen/lesen). Interessant war beim Kontakt mit den Herausgebern ( Jörg Boström; Uschi Dresing, Jürgen Escher; Alex Grünewald), dass sie es selbst in der Uni-eigenen Druckerei gedruckt hatten und der Verlag (Elefantenpress) nur den Verkauf übernehmen musste.

Frau Yvonne Robel (Hamburg), auch an Oldenburger Uni Projekten beteiligt, sprach über Antiziganismus vor Ort.

Als Mitherausgeberin von "Antiziganistische Zustände - Zur Kritik eines allgegenwärtigen Ressentiments, 2009" (das Buch kann mensch bei uns im Anna-Schwarz RomnoKher lesen) hat sie schon viele Artikel geschrieben.

Frau Karola Fings (Köln) vom NSdok machte die Moderation.

Hier eins vom Fotografen des Romno.de, aus vielen ähnlichen, ausgesuchtes Foto der Referent*innen vorm Philosophikum Münster.

von links: Frau Yvonne Robel, Herr Sebastian Lotto-Kusche, Frau Karola Fings, Herr Frank Reuter, Frau Daniela Gress und Herr Uwe Danker.

Dies war eine der ersten Veranstaltungen zum Antiziganismus beim Historikertag der BRD. (Soweit wir es wissen; das die weibliche Form nicht verwendet wird und das provozierende  "Her Story" nicht auftauchte, ist eine andere Geschichte....)


Das Wissenschaftler*innen (von Wissen schaffen?) aus den Erfahrungen der Geschichte, mindestens seit Heinrich Moritz Gottlieb Grellmann 1783, mit Mistrauen begegnet wird, kann nicht erstaunen. Das hat sich aber seit der Bürgerrechtsarbeit in den 1980er Jahren verändert. In vielen Vertretungen von Sinti und Roma in den Bundesländern und auch beim Zentralrat sind Wissenschaftler angestellt oder arbeiten mit ihnen zusammen an der Aufarbeitung des Antiziganis(Roma)ismus. Auch der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma gibt Forschungsberichte und anderes heraus, hier z.B. den Tagungsbericht ANTIZIGANISMUS, in dem auch Frau Yvonne Robel´s Artikel "Antiziganismus postkolonial betrachtet" steht.

 

Aber besonders wichtig sind Wissenschaftler*innen, die Sinti oder Roma sind, wie z.B. Frau Isidora Randjelović (Zitat:

"Gegenwärtig erleben wir deutschlandweit eine Konjunktur rassistischer Ideologien und Organisationen, dabei gewinnt auch der Rassismus gegen Rom*nja und Sinte*zza gesellschaftlich wieder an neuer Auftriebskraft und Legitimation."

oder Prof. Dr. Elizabeta Jonuz, seit 2012 Vorstand der Hildegard Lagrenne Stiftung für Bildung, Inklusion und Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland, um nur zwei zu nennen.